In jedem Fall kann ich über mein Leben sagen, dass der Umstand, dass ich damals wohl ‚die falsche Frau’ geheiratet habe, gravierende Folgen für mein Leben hatte. Meine Frau war mir in meinem Leben stets eher eine Belastung gewesen, als dass sie mein Leben bereichert hätte. Vor allem mit ihrer ständigen Unzufriedenheit mit allem, die letztlich wiederum aus einer tiefen Unzufriedenheit mit sich selbst rührte, war es nur sehr eingeschränkt möglich, gemeinsam angenehme Dinge zu erleben. Was wir auch unternahmen, waren es unsere Urlaube, Familienbesuche, die Treffen mit Bekannten, ein Tanzkurs und natürlich auch unser Sex – ständig war sie unzufrieden und machte alles herunter, ständig klagte sie über das Leben und die Verhältnisse, sei es ihr Studium oder ihre gelegentlichen beruflichen Engagements. Wobei ich mich natürlich unbewusst in einer solchen Atmosphäre des Nicht-Genügens irgendwo vertraut fühlte, da ich diese ja von meinem Elternhaus her gewohnt war. Möglicherweise hatte es so auch irgendwo eine ganz eigene Konsequenz, dass meine Frau keine Kinder bekommen konnte, so dass sie diesen unseligen Wesenszug nicht an eine weitere Generation weitergeben konnte, in jedem Falle ließ dies unsere Situation denn endgültig untragbar werden.
Mir wurde erst im Verlaufe meiner zweiten längeren Beziehung bewusst, welchen Einfluss es auch auf die eigene Befindlichkeit hat, wenn man einen Partner zur Seite hat, der ein positiver Mensch ist und mit dem man gemeinsam schöne Dinge erleben kann und eben das durfte ich zumindest in meiner zweiten Beziehung erfahren. Somit war diese Beziehung dann eben ein wichtiger Schritt in der Entwicklung meiner Persönlichkeit.

Ich schildere das alles hier ja nicht nur, um die nun folgende Geschichte einzuleiten, sondern weil ich denke, dass es nicht wenige Menschen gibt, die bestimmte Männer oder Frauen aus ihrem eigenen Umfeld beziehungsweise deren Wesenszüge und Verhaltensweisen in meinen Schilderungen wiedererkennen und damit vielleicht das eine oder andere menschliche Problem etwas deutlicher zu sehen vermögen. Für mich selbst wäre es jedenfalls sehr hilfreich gewesen, wenn mir jemand gewisse unglückliche Verhältnisse in meinen jeweiligen Lebenssituationen schon früher etwas deutlicher vor Augen geführt und vielleicht etwas drastischer dargestellt hätte – wenn mir etwa bewusst gewesen wäre, dass, wenn man nicht seine große Liebe heiratet, sondern irgendjemanden, nur damit da eben überhaupt jemand ist, nur ein notdürftiges Konstrukt entstehen kann, wenn mir beziehungsweise meiner Mutter klar gewesen wäre, dass es einfach unsäglich ist, seine Kinder gegen ihren Vater aufzubringen und ihn in einer solchen Weise herabzuwürdigen und dass man gewaltige Schäden an seinen Kindern verursacht, wenn man ihnen kein gesundes Selbstwertgefühl vermittelt.

Das Mädchen mit dem schiefen Schneidezahn

München in den Achtzigern

So bin ich heute der festen Überzeugung, dass mein Leben doch wesentlich anders verlaufen wäre, wenn ich eben ‚die richtige’ Frau an meiner Seite gehabt hätte. Und natürlich stellt sich die Frage, ob ich möglicherweise irgendwann jener bestimmten Frau begegnet bin, aber zu dusslig gewesen war, dies zu merken.
Und da kommt mir in jüngster Zeit eben immer wieder eine Begebenheit in den Sinn, die sich während meines Studiums in München zugetragen hatte. Ich hatte mich mit achtzehn Jahren entschlossen, mich für zwölf Jahre als Offizier bei der Bundeswehr zu verpflichten und zur Offiziersausbildung gehört bei der Bundeswehr schon seit ihren Anfangszeiten ein Hochschulstudium, so dass ich zu Beginn der achtziger Jahre mein Studium an der Hochschule der Bundeswehr in München antrat. Ich war mit meinen schon damals bestehenden philosophischen Ambitionen vielleicht eher nicht der typische Offizier, jedenfalls entdeckte ich zu jener Zeit meine Leidenschaft für die Oper und besuchte regelmäßig das Münchner Nationaltheater.
Jedenfalls waren mir damals bei den Aufführungen des Richard Wagner Zyklus zwei junge Damen aufgefallen, die echte Schönheiten waren und die im Gegensatz zu den meisten Opernbesuchern immer unglaublich elegante Abendkleider trugen – und diese beiden schienen nun gerade meinen hohen Ansprüchen zu genügen. Nun war es so, dass ich zu jener Zeit doch extrem schüchtern war und ich tat mich immer sehr schwer damit, überhaupt Frauen anzusprechen, doch von diesen beiden ging denn doch eine solche Verlockung aus, dass ich meine stark ausgeprägte Schüchternheit zu überwinden vermochte und eines Abends die beiden jungen Damen ansprach. Aus dem sich daraus ergebenden ersten, eher verlegenen Gespräch entwickelte sich aber eine sehr nette Bekanntschaft, die zunächst einmal zu einem der ganz besonderen Momente in meinem Leben führte, denn wir verabredeten uns zu einer der nächsten Aufführungen alle drei in der elegantesten Abendgarderobe zu erscheinen und ich nutzte diese Gelegenheit, die Galauniform der Bundeswehr anzulegen, die sich im Tenue irgendwo zwischen Smoking und Frack bewegte, so dass ich an jenem Abend in meiner glanzvollen Galauniform, mit einer wunderschönen Frau in einem schillernd grünen Abendkleid an meinem linken und einer nicht minder schönen Frau in einem Traum aus weiß, der wiederum in dezenten Tönen von altrosa changierte, an meinem rechten Arm durch das Foyer der Bayerischen Staatsoper flanierte, wir dabei natürlich einiges an Aufsehen erregten – Uniform in Gesellschaft, dazu noch eine Galauniform, war zu jener Zeit tatsächlich etwas höchst ungewöhnliches – und ich mich tatsächlich ganz nahe am Ziel meiner Träume fühlte. Ich muss zugeben, ich kam mir zumindest ein bisschen wie der Held aus dem Märchen vor, der seine Prinzessin aus der Gewalt des Drachen befreit hatte und die Heimgeführte nun stolz der Gesellschaft am Hofe präsentierte – und ich hatte davon sogar zwei. Und natürlich war ich schon nach kurzem Hals über Kopf in eine der beiden verliebt. Um den Ausgang dieses Aspekts der Geschichte gleich vorwegzunehmen, verhielt es so, dass sich damals um meine Auserwählte ein größerer Kreis an Verehrern geschart hatte und es sich nicht ergab, dass ich aus diesem besonderen Kreis irgendwie herauszustechen und so ihr Herz zu gewinnen vermochte, es aber immerhin bei der netten Freundschaft, die wir einmal geschlossen hatten, blieb.
Doch vor allem ergab sich aus dieser Konstellation die eigentliche Geschichte, die ich hier erzählen möchte. Denn ich war zu jener Zeit gerade einmal zweiundzwanzig Jahre alt und die beiden jungen Damen besuchten die Abiturklasse am Gymnasium in Grünwald und meine Bekanntschaft mit den beiden kunstliebenden jungen Damen führte immerhin dazu, dass ich auf die Partys eingeladen wurde, die damals in Grünwald so gegeben wurden und auf denen sich auch viele Klassenkameradinnen meiner beiden Schönheiten tummelten. Nun ist ja hinreichend bekannt, dass es sich bei München Grünwald um einen eher privilegierten Vorort von München handelt und demnach waren auch die Mehrzahl der jungen Damen – oder eigentlich sollte man bei Abiturientinnen doch eher sagen: Mädchen – das, was man so als höhere Töchter bezeichnet, also im wesentlichen wohlerzogene, anständige, brave und durch die Bank hübsche Mädchen aus gutem Hause. Ich fühlte mich jedenfalls wie im Schlaraffenland, ja im Grunde hatte es durchaus etwas von der Metapher vom Hecht im Karpfenteich, nur – um auch diese weitere Facette der Geschichte gleich aufzulösen – man kennt ja heutzutage die faszinierenden Filmaufnahmen aus dem Tierreich, in denen Raubfische in einen Heringsschwarm hineinstechen und die einzelnen Heringe aufgrund ihrer Schwarmintelligenz geschlossen zurückweichen, so dass der Raubfisch keines der Individuen zu fixieren vermag und so auch nicht zielgenau zuschnappen kann, manchmal sieht man ein ähnliches Bild auch von Löwen, die in eine Herde Gnus einbrechen und aus den gleichen Gründen keines erwischen. Und so ähnlich ist es mir, um in diesem Bild zu bleiben, als junger Hecht mit den Mädchen dieser Schulklasse wohl auch ergangen. Ich konnte einfach diesen Überfluss an Schönheit und Liebreiz für mich nicht auflösen und sah so den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
Die meisten können sich sicherlich vorstellen, welche Wirkung ein gut vier Jahre älterer, einigermaßen ansehnlicher junger Offizier auf noch unbedarfte, schwärmerische Mädchenherzen auszuüben vermag. Doch es erwies sich letztlich wohl als fatal, dass ich damals von eben jener unseligen Einstellung befangen war, dass für mich nur das Schönste und Beste infrage kam und ich mich daher natürlich ausschließlich um die beiden allerschönsten – und allerwohlhabendsten – jungen Damen beziehungsweise Erbinnen bemühte und das waren eben meine Auserwählte aus der Oper und eine Klassenkameradin von ihr, die mit ihren langen, gelockten blonden Haaren geradezu wie ein Engel wirkte und tatsächlich noch bezaubernder war als meine Opernschönheit. Unglücklicherweise verhielt es sich aber so, dass ich diese glückliche Bekanntschaft erst am Ende meiner Studienzeit in München gemacht hatte und mir nur ein Vierteljahr blieb, jene günstige Gelegenheit auch zu nutzen. Denn heute weiß ich, dass in meinen Leben die Konstellation, unter der ich der richtigen Frau hätte begegnen können, tatsächlich niemals wieder günstiger hatte werden sollen als zu jener Gelegenheit.
Doch zu jener Zeit in München waren eben gleich mehrere unglückliche Umstände zusammengekommen. Und so war mir wohl nicht zuletzt auch die extreme Herabsetzung, die mir als Kind durch meine Eltern widerfahren war, zum Verhängnis geworden, die ich eben mit entsprechend überhöhten Ansprüchen zu kompensieren gesucht hatte und ich so bis dahin einfach die falschen Vorstellungen entwickelt hatte. Ich hatte damals eine Einstellung, die einfach unsäglich war und aus dieser heraus hatte ich dann wohl einfach auf die falschen Pferdchen gesetzt. Es kam zwar zu einer Annäherung mit einer meiner beiden Auserkorenen, doch der Funke sprang nicht über, so dass sich daraus keine Beziehung entwickelte – an heiße sexuelle Affären mit behüteten Mädchen aus solchen Kreisen war schon gar nicht zu denken. Ich war aber wohl eben auch kein Anatole Kuragin.

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