Auch wenn es für den Liedermacher und die von ihm dabei Gemeinte nicht ein ganzes Leben lang angehalten hat – sie trennten sich zwei Jahre nachdem Reinhard Mey dieses Lied veröffentlicht hatte –, gibt es doch Paare für die sich dieses schöne Ideal erfüllt hat.
Und Sie kennen sicherlich in ihrem eigenen Umfeld das eine oder andere solche Paar – aber dann wissen Sie aus Ihrer Beobachtung wohl auch, dass es eben nur ganz wenige solcher Paare sind. Und doch sind eben diese Wenigen nichts weniger als ein Beweis dafür, dass der Glaube an die wahre Liebe keine naive Vorstellung ist, die nur in Märchen und Romanen ihre Berechtigung hat, sondern eine reale Option des Lebens ist.

Zufall oder Schicksal

Côte de Granit Rose, Bretagne

Die Frage ist allerdings, warum dieses unvergleichliche Geschenk, welches die große, die wahre die Liebe letztlich ist den meisten Menschen eben nicht ‚zufällt’. Und hier kommt meiner Überzeugung nach ein überaus merkwürdiges Phänomen der Realität ins Spiel, welches wir für gewöhnlich Zufall beziehungsweise Schicksal nennen. Denn die große, die wahre Liebe kann sich eben nicht zwischen zwei beliebigen Menschen entfalten, es müssen sich dazu schon zwei ganz bestimmte Menschen irgendwann auch begegnen. Und ich bin einfach der Überzeugung, dass es in jedem Fall auf der Welt und ganz sicherlich sogar in einem einzelnen Kulturkreis nicht nur den einen, sondern gleich mehrere Menschen gibt, deren Persönlichkeit so angelegt ist, dass sich zwischen diesen beiden eine Beziehung entwickeln kann, die eben die große Liebe ist. Doch selbst wenn wir vom kleineren Kreis einer bestimmten Kultur ausgehen, sind diese Wenigen doch in der Regel auf eine Masse von mehreren Millionen Menschen verteilt und entsprechend gering ist einfach die Wahrscheinlichkeit, gerade einem dieser bestimmten Menschen zu begegnen. Max Giesinger hat dieses große Rätsel des Lebens in seinem Lied ‚80 Millionen’ ja in ein sehr schönes Bild gefasst:
So weit gekommen und so viel gesehen,
so viel passiert, dass wir nicht verstehen.
Ich weiß es nicht, doch ich frag’ es mich schon,
wie hast du mich gefunden? Einer von 80 Millionen.

Und über das Zustandekommen der Umstände, unter denen eben dies tatsächlich zu geschehen vermag, waltet nun einmal der Zufall. Und es ist letztlich eine Frage der philosophischen beziehungsweise einer spirituellen Anschauung, ob dieser Zufall nun eine rein willkürliche, seelenlose Gesetzmäßigkeit dieses Universums ist oder ob man hinter dem Phänomen, das wir als Zufall verstehen, einen höheren Sinn beziehungsweise gar ein intelligentes Wirken annehmen will, sprich: dass in diesem Universum ein bewusstes Schicksal waltet.
Ich habe mich mit dieser unglaublich komplexen und beziehungsreichen Thematik ausgiebig in meinem Buch befasst und darin darzulegen versucht, warum ich der Überzeugung bin, dass in diesem Universum tatsächlich irgendeine kosmische Intelligenz – oder eben ein Gott – waltet. Allerdings würde eine angemessene Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung den Rahmen dieses Essays sprengen und ich kann hier nur feststellen, dass wir es einfach als eine Gegebenheit hinnehmen müssen, dass in jedem Fall der Zufall – ob er nun völlig sinnfrei agiert oder ob eine höhere Macht durch ihn waltet – entscheidet, ob wir die wahre Liebe finden oder eben nicht. Und je nachdem, wie wir diese philosophische Frage beantworten, ist es dann eine völlig sinnfreie Zufälligkeit und hirnloser, wenn wir die große Liebe eben nicht finden, es ist dann das zynische ‚dumm gelaufen’ oder ‚Pech gehabt’, welches ein ganzes Leben armselig erscheinen lässt oder ob in diesem Umstand möglicherweise irgendein Sinn liegt– nach dem wir dann zumindest forschen können.

Es ist ja heute die verbreitete Auffassung von Zufall, dass man diesem auf die Sprünge zu helfen vermag, in dem man in bestimmten Lebenslagen alle nur denkbaren Hebel in Bewegung setzt, also irgendwie wahnsinnig viel tut, um die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg zu erhöhen. Das ist nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitstheorie auch eine grundsätzlich richtige Überlegung. Und es ist wohl auch das Kalkül von Menschen, die hoffen, in Kontaktbörsen im Internet einen Partner zu finden: man grenzt die schiere Masse der Menschen des bevorzugten Geschlechts schon einmal ein auf diejenigen, die willig sind und kann aufgrund der dargebotenen Parameter der Persönlichkeit und der Lebensumstände die Auswahl einengen, und damit optimieren. Zweifellos erhöht sich damit nach gemäß der Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie die Chance, einen passenden Partner zu finden – zumindest theoretisch. Doch es gibt auch eine ganz andere Auffassung von den Gesetzmäßigkeiten in diesem Universum und von der Wirkungsweise dieser Wahrscheinlichkeiten. Es gibt nämlich auch die Überzeugung, dass in diesem Universum irgendeine kosmische Macht waltet, die letztlich darüber bestimmt oder besser mitbestimmt, welches Geschick uns in diesem Leben beschieden ist und die Tatsache, dass man nun diesem gewissen Menschen begegnet oder nicht, eben kein Zufall im Sinne der Wahrscheinlichkeitstheorie ist und dass man diesem Umstand daher auch nicht mit einem gesteigerten Aufwand an Bemühungen entgegenzuwirken vermag. Es ist eben die Auffassung, dass es Bestimmung ist, ob man diesem gewissen Menschen begegnet oder nicht und wenn man diesem eben nicht begegnen soll, dann begegnet man ihm auch nicht, das heißt dass man trotz des intensiven Bemühens irgendwelcher Kontaktbörsen an dieser Gegebenheit nichts zu ändern vermag. Wenn es einem nicht bestimmt ist, diesem Menschen zu begegnen, dann begegnet man ihm auch nicht – egal, wie viele Internetportale man auch in Anspruch nimmt. Und wenn ich mir die Beziehungen oder Ehen in meinem Umfeld, die tatsächlich über Kontaktbörsen geknüpft wurden, so anschaue, dann muss ich klar sagen, ist diese große Liebe jedenfalls nicht darunter. Ich möchte hier sogar wagen, zu behaupten, dass es vielen Menschen einfach so ergeht, dass sie froh sind, dass sie überhaupt irgendjemanden gefunden haben und sie nicht allein sind und sie sich von daher mit dem Arrangement des geringsten Übels aus dem Internet begnügen. Das hat sicherlich auch irgendwo seinen Wert aber über ein solches Konstrukt findet sich eben nicht jene Erfüllung, die doch nur die wahre Liebe zu geben vermag. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass sich gemäß einer Studie der Ruhr Universität Bonn 60 Prozent der in einer Beziehung befindlichen Menschen einsam fühlen, denn man braucht eben schon diesen ganz speziellen Menschen und jenen unbedingten Rückhalt, den man eben nur in einer Beziehung findet, die aus echter Liebe geschlossen wurde, um sich wirklich angenommen zu fühlen. Denn es ist eben durchaus ein Unterschied, ob man seine große Liebe findet und welche Möglichkeiten sich daraus für eine Beziehung ergeben oder ob man einfach mit jemandem zusammen ist und mit diesem zusammen bleibt, nur weil es immer noch besser ist, als alleine zu sein und dadurch, dass da überhaupt jemand ist, zumindest ein gewisses menschliches Bedürfnis erfüllt ist. Doch so etwas wird eben nie mehr als ein Arrangement zu einem eher praktischen Zweck sein – in dem sicherlich auch gewisse Gefühle aufzukommen vermögen, aber diesem einen, so überwältigenden Gefühl, den unglaublichsten Menschen des Universums gefunden zu haben, der einen einfach umhaut, bei dem es eben nicht den geringsten Zweifel gibt und der das eigene Leben bereichert, wird das niemals auch nur nahe kommen – man vermag, wenn man sich in einem solchen Arrangement einmal eingerichtet hat, nur noch irgendwie zu erahnen, was die wahre Liebe im Gegensatz dazu wohl sein könnte. Und da es den meisten Menschen in ihrem Leben ganz offensichtlich nicht vergönnt ist, in der wahren Liebe Erfüllung zu finden fühlen sich eben 60 Prozent der Menschen einsam, obwohl sie in einer Beziehung leben.
Und ich bin der festen Überzeugung, dass wenn es einem bestimmt ist, diesem speziellen Menschen zu begegnen, dies auch geschieht und für das Eintreten einer solchen Bestimmung sind Einrichtungen wie Kontaktbörsen, Partnerschaftsagenturen oder das Internet einfach völlig irrelevant, aus solchen Versuchen, quasi mit der Brechstange die große Liebe zu erlangen, werden immer nur Konstrukte geschaffen, die aus schierer Verzweiflung geboren sind, so dass dergleichen Optionen für die wirkliche Erfüllung eines Lebens durch die Liebe einfach völlig irrelevant sind. Und das gleiche gilt ganz grundsätzlich auch für Kulturen, in denen arrangierte Ehen üblich sind, wie ja vor allem den indischen oder arabischen Kulturkreis. Denn solche Ehen sind ja von vorneherein nichts weiter als Arrangements und eben keine Beziehungen, die durch die Liebe zwischen zwei Menschen gesegnet sind. Aus so etwas kann nie etwas anderes werden, als eine Schicksalsgemeinschaft, die vor allem aufgrund des äußeren Zwangs strikter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zusammenhält, ja zusammenhalten muss und daraus kann sich eben niemals etwas so wunderbares entfalten wie das gemeinsame Zelebrieren der großen Liebe über ein ganzes Leben hinweg. Die desolaten sozialen Strukturen, die sich in solchen Kulturen aufgrund derartiger Traditionen herausbilden, sprechen ja für sich. Es ist heutzutage auch von der wissenschaftlichen Psychologie ja hinreichend belegt, dass derartige Beziehungskonstrukte nur allzu häufig menschliche Tragödien verursachen und wie die Psychologie ja ebenfalls eindeutig erwiesen hat, nehmen Kinder, die in solch desolaten Verbindungen aufwachsen, in der Regel starken Schaden an ihrer Persönlichkeit, so dass auch diese später als Erwachsene nicht in der Lage sind, den Teufelskreis der von Generation an Generation weitergegebenen seelischen Beschädigungen zu durchbrechen, welche das soziale Klima in solchen Kulturen so explosiv macht.

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