Leben mit Engeln

 

Aber jetzt habe ich wieder so viele Gesichtspunkte hin und her erwogen und mich für einige Leser vielleicht doch etwas zu weitschweifend ausgelassen.
„Es war nötig!“
Dabei ist es ja sicherlich die interessantere Frage, wie es sich denn ganz praktisch lebt, wenn man ‚Kontakt zu Engeln’ hat – eben ohne dabei besagter Ich-Inflation unterlegen zu sein und den Kontakt zur Realität verloren zu haben – oder im Sinne des Zeitgeistes verdichtet: Was bringt es denn, wenn man mit Engeln in Kontakt steht?
Ich weiß, ich hatte diese Fragestellung eigentlich ja schon als unzulässig abgewiesen aber ich möchte den Skeptikern und Zweiflern doch noch einmal eine Hand reichen, uns noch ein Stückchen weiter zu folgen. Eine solche Frage ist im Grunde natürlich zutiefst blasphemisch und viele ernsthafte spirituelle Menschen lehnen es aus guten Gründen ab, sich mit dieser Frage überhaupt auseinanderzusetzen. Aber ich war, bis ich denn diese Geschichte erlebte, ja selbst einem Denken verhaftet, das gewohnt war, genau solche Fragen zu stellen und so will ich mich gern darauf einlassen, zu versuchen, hier eine Antwort zu geben, die den Eigenheiten des Verstandesdenkens einigermaßen gerecht wird. Diese knappe Frage ‚was es denn bringt’ und die natürlich genau auf das Wesentliche abzielt, wird hier allerdings an ein Phänomen gerichtet, dessen Wesen sich eigentlich gerade nicht auf einen Punkt bringen lässt. Denn diese Frage richtet sich an ein kaum greifbares Feld, das in der Regel eher diffus im Geiste der Menschen umherwabert und wiederum die Eigenart hat, sich immer, wenn man sich anschickt, es zu betreten, zu einem bestimmten Gesichtspunkt zu verdichten, der als die ‚Gretchenfrage’ bekannt ist: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Und dahinter steht in der heutigen Zeit eben immer gleich die Frage danach, was eine spirituelle oder religiöse Lebenseinstellung denn überhaupt ‚bringt’?
Mir hat es jedenfalls eine deutlich stimmigere Einstellung zum Leben an sich gebracht. Ich gehe nun mit einem weitaus offeneren Bewusstsein, ja mit einem umfassenderen Verständnis für das Leben an sich durch die Welt. Wobei mir auffällt, dass ich hier wohl einen recht schwammigen Begriff gebrauche, so dass ich hier wohl kurz erläutern sollte, was man sich denn unter einem solchen ‚umfassenderen Verständnis für das Leben’ eigentlich vorstellen soll. Es stellt sich für mich so dar, dass etliche der für unsere Gesellschaft so typischen existenziellen Zweifel und Ängste, die mich früher regelmäßig befallen und die mein Befinden doch sehr beeinträchtigt hatten, mittlerweile fast gänzlich aus meinem Leben gewichen sind und ich eine weitgehende Sicherheit bezüglich meines Handelns und der Sinnhaftigkeit meines Lebens empfinde.  Mir wird dies immer dann so recht bewusst, wenn ich an meinen Mitmenschen wahrnehme, wie sehr ihnen ihre vielen kleinen und größeren materiellen Sorgen zusetzen oder sie gar von massiven Existenzängsten befangen werden und sie sich dadurch erheblich in ihrem Lebensgefühl beeinträchtigen lassen, obwohl sie in unseren neuzeitlichen Gesellschaften doch so weitreichend abgesichert sind. Ich fühle mich meist etwas befremdet, wenn ich mir all ihre Sorgen um die doch eigentlich ziemlich banalen Unannehmlichkeiten ihres bürgerlichen Alltags anhöre und es wird mir darüber jedes Mal aufs Neue klar, wie weit ich mich schon von deren Welt entfernt habe. Ich erinnere mich an Gespräche, in denen ich deutlich spüren konnte, wie jemand aus meinem Bekanntenkreis etwa zutiefst von Angst erfüllt war, weil er sich tatsächlich vor einer kulturellen Überfremdung durch Zuwanderer fürchtete. Oder Begebenheiten, in denen ich wahrnahm, wie tief Menschen betroffen waren, ja sich gar vom Schicksal geschlagen fühlten, weil sie an Mieter geraten waren, wegen derer sie Ausfälle an Mieteinnahmen in der Größenordnung von ein paar tausend Euro hatten und ihr gehobener bürgerlicher Lebensstandard für einige Zeit beeinträchtigt war oder andere, die in tiefer Sorge waren, bei Renovierungsarbeiten von Handwerkern übers Ohr gehauen zu werden – und mir bewusst wurde, dass in deren subjektiver Realität der Umstand, dass es doch auch Menschen gab, die erst gar kein Wohneigentum hatten, schon gar nicht mehr vorkam. Und das Erstaunliche dabei war eben, dass sie durch ihre Alltagsprobleme nicht nur von einer unleidlichen Beunruhigung erfasst waren, was ja noch zu verstehen gewesen wäre, sondern ihnen dies tatsächlich ernsthafte Sorgen bereitete und ihnen doch ganz erheblich zusetzte, so dass es ihnen gar einiges von ihrem Grundvertrauen in das Leben überhaupt zu nehmen schien. Man kann ja verstehen, dass einen ein solches alltägliches Ungemach beunruhigen kann, aber dass es möglich ist, sich davon so grundlegend in seinem Lebensgefühl beeinträchtigen zu lassen, verwunderte mich schon sehr. Dabei leben die Menschen in unseren neuzeitlichen Gesellschaften doch eigentlich in Verhältnissen, in denen sie in einem nie da gewesenen Maße materiell abgesichert sind und zudem durch eine Friedensordnung behütet werden, die in der Geschichte ebenfalls ihresgleichen sucht

Für meinen Teil fühle ich mich heute einfach besser mit dem Leben verbunden. Und ich bin mir sicher, dass die Vorstellung der Schule C.G. Jungs, nämlich dass das Potenzial eines Menschenlebens für jeden Einzelnen einen Prozess der Individuation bereithält, der so etwas zum Ziele hat, wie eine ‚besonders abgerundet wirkende Persönlichkeit’ zu werden, der Wahrheit ziemlich nahe kommt. Und ich glaube, dass dieses stimmigere Lebensgefühl, das ich heute habe, wohl daher rührt, dass ich ein Stück weit in die richtige Richtung vorangekommen bin.
Ich habe eine tiefe innere Sicherheit bezüglich meines Schicksals gewonnen, ein Vertrauen darein, dass das, was um mich herum geschieht und mir widerfährt, richtig ist, was immer es auch ist, das da vor sich geht. Und ich erlebe das als etwas, was mich von den meisten Menschen in meinem Umfeld doch deutlich unterscheidet. Da vertreten ja viele nach außen hin Überzeugungen, von denen sie im Inneren eigentlich nicht wirklich überzeugt sind, an etlichen nehme ich eine latente, nagende Unzufriedenheit und an nicht wenigen gar Anflüge innerer Verzweiflung wahr, andere werden innerlich von einer bleiernen Hoffnungslosigkeit erstickt, während sie nach außen hin die gängigen Durchhalteparolen dreschen. Im Vergleich dazu erlebe ich die Glaubensfestigkeit, die mir zuteil geworden ist, als eine echte Qualität.
„Ja, das ist deutlich zu spüren! Es ist gut für dich.“
Dabei erweist sich die Metapher von der ‚zusätzlichen Dimension des Lebens’ als beziehungsreicher, als ich es zunächst gedacht hatte. Ich kann mich im weiteren Sinne einer solchen Dimension tatsächlich geistig auf ein anderes Level beziehungsweise eben in eine andere Dimension begeben, was wiederum mit sich bringt, dass ich diese Welt aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen und sie auf eine ganz andere Weise zu empfinden vermag, als es der gängigen Anschauungsweise des derzeitigen kulturellen Standards entspricht. Wie sich dies ganz konkret auswirkt, sollte ja im Wesentlichen aus diesen Ausführungen deutlich werden. Und da ich eben eine ganz andere Sichtweise auf diese Welt einzunehmen vermag, verhält es sich wohl auch so, dass ich die unvermeidlichen Schwankungen des Lebens heute besser ausbalancieren kann, als mir das früher möglich gewesen war.
„Was du hier in einem so weiten Bogen ausgeführt hast, also wie wichtig es ist, zu erkennen und zu akzeptieren, dass das Verstandesbewusstsein nur Teil eines Größeren ist und daher niemals das Ganze wird sehen können, ist tatsächlich der Schlüssel zu allem. Wenn man diese Erkenntnis in aller Konsequenz auch anzuwenden vermag, verändert es die Sicht auf diese Welt grundlegend. Es ist in jedem Fall sinnvoll, seinen Blickwinkel zumindest etwas zu erweitern.“
Und schließlich habe ich nicht selten den Eindruck, dass da jemand schützend seine Hand über mich hält. Ja, ich glaube, im Vergleich zu anderen Menschen verlaufen für mich viele Dinge recht glimpflich. So habe ich etwa Gerichtsverhandlungen erlebt, in denen sich meine Anwälte von deren unerwartet günstigem Verlauf erst einmal völlig perplex zeigten – um sich dann umgehend über das Ergebnis zu begeistern, da sie den überraschenden Erfolg natürlich ihrer eigenen Großartigkeit zuschrieben, wogegen ich doch eher Indizien dafür sah, dass da viel wahrscheinlicher eine andere Macht die Hände im Spiel hatte. Denn für den Ausgang eines Gerichtsverfahrens sind ja – wenn es sich nicht gerade um einen völlig unstrittigen juristischen Sachverhalt handelt – über die rein faktische, harte Gesetzeslage hinaus eine Vielzahl zusätzlicher, so genannter weicher Faktoren ausschlaggebend. Allein der Mensch, der in einem konkreten Fall als Richter fungiert, verfügt ja über eine bestimmte Persönlichkeit mit ganz speziellen Eigenheiten, von denen im jeweiligen Prozess je nach dessen Tageslaune auch ganz unterschiedliche Facetten zum Tragen kommen können. Hinzu kommt die jeweilige Persönlichkeit und Tagesform der Anwälte, die an solch einem Prozess beteiligt sind, zusätzlich existieren Feinheiten in den Formulierungen der Gerichtsakten, die ganz bestimmte, nuancierte Bewertungen transportieren können, eine tendenzielle Sympathie oder Antipathie des Richters gegenüber einer der Parteien und eben vieles dergleichen, was in einem hochkomplexen Zusammenspiel letztlich den Ausschlag für das schließliche Urteil des Richters gibt. Im Grunde verhält es sich damit, insbesondere in Fällen, bei denen es vorwiegend um die sorgfältige Abwägung hoch komplexer Sachverhalte geht – und das sind ja eben die meisten –, so, dass aufgrund der Unüberschaubarkeit des Zusammenwirkens einer solchen Vielfalt an doch ausgesprochen nuancierten Einflussgrößen ein Urteil so kippelig wie ein gespitzter Bleistift auf eines Messers Schneide in die eine oder andere Richtung fallen beziehungsweise sich die Waagschale der Justitia aufgrund eines Bruchteils eines Gramms auf die eine oder andere Seite neigen kann. Denn in diesem Bereich eines Zusammenspiels marginaler Größen vermögen sich nun einmal Entwicklungen auf eine Weise zu vollziehen, die wir nicht überschauen und so können dann Entscheidungen fallen, deren Zustandekommen wir als zufällig erachten, bei denen es sich aber letztlich um jene ‚gewisse Fügungen’ handelt, von denen ich hier eben rede.
Zudem erlebe ich immer wieder, wie Angriffe, die aus Missgunst gegen mich gerichtet werden, in kleinere oder größere Desaster für deren Urheber münden, kleinere Unfälle, die höchst brenzlig verlaufen aber glimpflich ausgehen. Ich erlebe aber auch, wie einige aus eigener Dummheit verschuldete kleinere Felltritte gnadenlose Konsequenzen für mich haben – die Wirkung einer gewissen Kraft hin zu einem Ausgleich ist für mich darin schon mehr als nur zu erahnen. Und nicht zuletzt erlebe ich immer häufiger Dinge, die ich nicht anders einordnen kann, denn als ‚wundersame Fügungen’.
„Du willst damit doch nicht etwa durch die Blume andeuten, dass ich für dich Wunder bewirke?“
„Ich? Niemals!“
„Es gibt Dinge, die haben unter uns zu bleiben! Du darfst diese Dinge nicht so formulieren, das ist nur wichtigtuerisches Gegacker! Ich dachte, du wärst darüber hinaus? Und außerdem hatte ich dir das ausdrücklich verboten! Wenn du diese Passage nicht sofort wieder streichst, riskierst du, zu erleben, welche Folgen ein aus Dummheit verschuldeter großer Fehltritt haben kann. Du sollst hier keine Heilsversprechen abgeben! Ich habe dir gesagt: Es gibt keine Garantien!“
„Natürlich!“
„Du weißt, was dir sonst blüht!“
„Ähehmmm …“
Aber dass diese Dinge mit dem spirituellen Weg zu tun haben, auf den ich mich begeben habe, ist natürlich, wie ich ja schon eingehend ausgeführt habe, nicht beweisbar, derartige Geschehnisse bewegen sich alle im Bereich von Zufälligkeiten und ich weiß ganz sicher, dass wenn ich hier anböte, per wissenschaftlich auswertbaren Statistiken den Beweis dafür anzutreten, dass mir signifikant viele günstige Fügungen widerfahren, mir von diesem Zeitpunkt an garantiert nur signifikant mehr wundersame Missgeschicke widerfahren würden.
Denn eine solche Behauptung würde ja letztlich bedeuten, dass man damit protzt, so etwas wie ein Auserwählter oder Erleuchteter zu sein und damit in den Raum stellt, göttliche Mächte stünden einem zur Seite. Doch mit einer solchen Behauptung provoziert man es ja geradezu, dass andere Menschen fordern, doch auch den Beweis dafür anzutreten, dass ein solcher Beistand die Wirklichkeit tatsächlich zu den eigenen Gunsten zu verändern vermag. Und in letzter Konsequenz hieße dies ja wiederum nichts weniger, als dass man allen ernstes behauptet, es müsse sich für einen selbst ein signifikanter Zuwachs an günstigen Fügungen ergeben, dessen Eintreten diese höheren Mächte dann zwingend zu gewährleisten hätten. Abgesehen davon, dass so etwas ja noch niemals geklappt hat – jedenfalls ist mir kein einziger verbürgter solcher Fall bekannt –, darf man die spirituellen Mächte natürlich niemals auf eine solche Weise herausfordern, das habe ich jedenfalls in einigen bitteren Lektionen erfahren müssen!
Und eben diesen äußerst schmerzlichen Erfahrungen zufolge handelt es sich hierbei ganz offenbar um eine weitere dieser Gesetzmäßigkeiten des spirituellen Weges. Ja, ich fürchte, es ist streng genommen noch nicht einmal statthaft, wenn ich all die glücklichen Wendungen in meinem Leben überhaupt als wundersame Fügungen darstelle. Warum diese seltsame Gesetzmäßigkeit besteht, kann ich nur ahnen; jedenfalls hatten ganz offenbar auch schon die alten Griechen diese Erfahrung gemacht, denn deren Mythen sind reich an Schilderungen, wie furchtbar es Menschen ergeht, die es wagen, die Götter herauszufordern. Heute weiß ich aus eigener Erfahrung, wie viel Wahrheit in diesen alten Geschichten verborgen liegt.

„Ich sage dir, das ist sooo ‘was von grenzwertig, was du da gerade erzählst!!!“
„Ohhh, du bist vielleicht ätzend! Ein drohender Engel! Ja, ja, ich weiß, du könntest mich wie eine Laus zerquetschten. Aber ich dachte, du wärst eben nicht so wie Apollon.“
„Ich habe meine eigenen Methoden. Die Lektion würde für dich bitter genug ausfallen.“
„Ich berufe mich auf Krishnamurti! Ich werde das nachher ausdrücklich erwähnen“
„Krishnamurti ist okay! Was du da zitierst, ist wirklich eine schöne Darstellung. Damit kriegst du gerade noch die Kurve, das sage ich dir.“

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