Aber die Macht der Liebe, die ich über die Verbindung zu Bettina spürte, verlieh mir eine nie zuvor gekannte Kraft, so daß ich ihren wahren Wert und die Werte all dessen, was sich in unserem Leben mit der Liebe verbindet, nun fühlen konnte und ich spürte, wie wenig mir mein gefälliges Wohlergehen nützte, wenn mein Leben ohne Liebe vergehen sollte. Und diese Macht der Liebe, die mich nun zu erfassen begann, gab mir eine bisher ungeahnte Kraft. Und so kehrte ich bestärkt schon einen Tag später zu meinem heiligen Ort zurück und ich sprach das notwendige Gelübde aufrichtig, ich bot den Göttern mein wirklich kostbarstes Gut, ich bot mein gefälliges Wohlergehen für eine begrenzte Zeit mit Bettina. Aber als ich so sprach hatte ich schwer zu kämpfen, es ging mir nicht leicht von den Lippen, ich hatte ein ziemlich ungutes Gefühl, ich tat es nicht leichten Herzens und ich sprach es eigentlich eher auch nur so ein kleines bißchen aus, weil ich tatsächlich richtige Angst hatte aber ich sprach es irgendwann während ich so mit mir rang  vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde wirklich ernsthaft und spürte in diesem Augenblick, daß selbst dieser Anflug von Aufrichtigkeit schon genügt hatte, einen Pakt zu besiegeln, daß schon der Anflug eines aufrichtigen Wortes irgendeine Kraft freigesetzt hatte und ich nun auf ewig und unentrinnbar meinem Wort dem Göttlichen gegenüber verpflichtet und gebunden war und die Konsequenzen dieses Paktes unabdingbar zu tragen hatte und ich merkte, daß ich dabei irgendwo in mir immer noch die Hoffnung hegte, daß das ja doch nicht unbedingt so eintreffen müßte und ich sprach dieses Gelübde daher immer verzagender und gegen die in mir aufsteigende Angst aber ich sprach es konsequent und tapfer zu Ende. Ich hatte nun das daran gegeben, was mir am meisten im Leben bedeutete und vor dessen Verlust ich die größte Furcht hatte. Aber wozu hatte ich mich da hinreißen lassen? Mir wurde bewußt, mit welchen Mächten ich mich da eingelassen hatte und was für Folgen das für mich haben konnte und fühlte die nackte Angst und ich erblickte meine Grenzen! Und ich sah, daß es eine erbärmliche Vorstellung war, die ich da gab.
Denn ich wurde abermals von der spirituellen Welt beschämt.

Es war wohl, daß ich mich wirklich ernsthaft der Selbsterkenntnis gestellt hatte und beharrlich nicht davon abließ diesen so schweren Weg zu gehen und es war wohl die Besonderheit dieses heiligen Orts, die mich nun noch tiefer blicken ließen. Ich erkannte, daß dieses so unglaublich große und heilige Opfer, das ich soeben vollbracht hatte, nichts anderes war als ein scheinheiliger Kuhhandel. Was hatte ich denn getan? Ich hatte versucht, mit den göttlichen Mächten ein Geschäft abzuschließen, um mir damit eine Zeit mit meiner Geliebten zu erkaufen, auszubedingen. Und das war ja nun alles, aber nicht die wahre, die bedingungslose Liebe, die ich zu erstreben glaubte. Ich sah es deutlich – und das schmerzte mich unsagbar: Ja, tatsächlich, ich hatte mir eine Zeit mit meiner Geliebten auserbeten, einen Tausch von Leistung und Gegenleistung beabsichtigt, ich hatte mein hehres Gelübde unter Bedingungen gestellt.
„Ja, erkenne dich selbst!“
Ich sah nun deutlich und beschämend: Ich war tatsächlich immer noch nicht in der Lage, bedingungslos zu lieben, ich war sicher bereit, viel, sehr viel zu geben, aber ich wollte letztlich immer noch etwas dafür haben. Mein Ego hatte immer noch seine Hände im Spiel, und dieser Geselle war der festen Überzeugung, daß solch hehre Opferbereitschaft ganz selbstverständlicherweise belohnt werden mußte! So denken Kinder! Ja, ich hatte eine kindliche, unreife Weltanschauung.
Aber ich sah auch, daß ich mittlerweile doch eigentlich schon wirklich weit gegangen war und mir war über dieses schwere Ringen immerhin deutlich geworden, wie groß meine Liebe zu dieser Frau war und wie stark die Kräfte waren, die diese Liebe in mir freisetzte. Und so konnte ich in mir den sanften Hauch einer weiteren Empfindung spüren, die mir sagte, daß ich nun eigentlich auch noch diesen letzten Schritt, zu dem mich die Erkenntnis über mich selbst geführt hatte, tun konnte, ja  mußte.

Bettina hatte mich in der kurzen gemeinsamen Zeit zu lehren versucht, daß wahre Liebe bedingungslos ist, und dieser Engel vermochte dies auch tatsächlich zu leben. Es gab einige Situationen, in denen sie eine Haltung zeigte, die mich beschämt hatte, aber ich hatte dadurch erfahren, welche unglaubliche Macht von einer solchen Art zu lieben und zu leben ausging, sie hatte stets alle Menschen damit in ihren Bann gezogen. Und so empfand ich in diesem Augenblick, daß diese wunderbare Frau in ihrer Fähigkeit, zu geben und zu lieben kostbarer als mein eigenes selbstsüchtiges Leben war und ich erinnerte mich über diese Empfindung an etwas Bestimmtes. Ich kannte das. Ich kannte das doch von irgendwo her. Es war wie eine versandete Erinnerung. Ja, es gab da etwas, das über mir steht, etwas, das eigentlich über allem steht es war  ein altes Wissen in mir und ich begann, mich zu erinnern. Es gab etwas in mir, dem das vertraut war. Es war dem, was ich für Bettina empfand, sehr ähnlich, es war nur irgendwie größer und archaischer. Die Liebe zu Bettina und das heftige Ringen mit mir selbst, hatte mich nun an meine Grenzen geführt und mich so weit auf mich selbst zurückgeworfen, daß ich nun spürte, daß ich allein und nur als ich selbst  einer anderen Macht gegenüber stand.
Ich spürte, wie das Gefühl der Liebe zu Bettina, das ja in mir war, eine Verbindung zu einer höheren Liebe schlug und mir wurde bewußt, daß ich hier eine uralte Wahrheit an mir selbst erfuhr. Dieses Bewußtwerden, diese Erfahrung war wie eine intensive Erinnerung, ich hatte irgendwann schon einmal unabdingbar gewußt, daß es da etwas gab, das wichtiger und bedeutender und wertvoller war als ich in meiner menschlichen Person und daß ich mich diesem Höheren vorbehaltlos anvertrauen konnte,

weil es über mir stand

und weil es schon immer so war

und weil jenes schon immer besser wußte als ich selbst, was für mich richtig ist.

Ich sah nun und ich erkannte …

und es brach natürlich alles über mir zusammen und es brach alles aus mir heraus, ich empfand eine völlige Verzweiflung über mein bisheriges Leben und die Grausamkeit dieser Welt, die sich in einem Strom von Tränen über jenem Ort ergoß und ich ging vor dieser Macht in die Knie. Aber ich spürte irgendwann tief unter diesen übermächtigen Emotionen ganz schwach und fern ein Idee Gestalt annehmen, eine Idee davon, was nun das einzig richtige zu tun war: ich konnte nun nicht mehr anders, ich mußte den einmal eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende gehen. Und aus dieser Erkenntnis heraus brachte ich es an diesem heiligen Ort über mich, jene schwache Idee einzufangen und zu bannen und gerade noch spürbar aufrichtig unter dem Aufbäumen meines auf Bequemlichkeit ausgerichteten Ego durch die Klippen von Hoffnungen, daß ich das alles niemals wirklich würde einlösen müssen und daß das alles vielleicht nur eine Prüfung zum Schein war, ein Test, der nur mein Bekenntnis wollte und das, wenn ich die Aufgabe bestehen würde, dann uneingelöst bleiben würde  doch hervorzubringen, daß ich alle meine kostbarsten Güter für das Wohlergehen des von mir geliebten Menschen biete: mein Leben, meine Gesundheit und mein Wohlergehen, ohne jegliche Bedingung, ohne die Aussicht mit Bettina Leben und Lieben zu können, ohne die Aussicht, etwas dafür zu bekommen, sondern einfach nur aus wahrer, bedingungsloser Liebe zu ihr und das bedeutete, darum zu bitten, alle ihre Lasten auf mich zu nehmen, sie dabei aber loszulassen und ihren Weg gehen zu lassen. Ich erkannte, daß es eine Macht in dieser Welt gab, die weit stärker und weit wichtiger war als ich und mein Ego und daß ohne die Wirkung dieser Macht ein Leben kein Leben ist und wenn man dieser Macht so hautnah gegenübersteht, dann erkennt man, daß es nur einen Weg gibt. Man muß sich dieser Macht bedingungslos anvertrauen. Das Ego muß an dieser Stelle kapitulieren. Und so bat ich darum, daß es Bettina wohlergehen möge, daß sie gesund und glücklich würde und daß ich, wenn es wirklich nur so ging, meine Gesundheit und mein Wohlergehen dafür geben würde und daß ich mir daraus nichts für mich erbat und so ließ ich von Bettina los. Und ich gelobte auch dies wieder nur in einem ähnlich schwachen Hauch wie zuvor und mit Zweifeln, ob das auch wirklich nötig war aber es gab etwas tief in mir, tief unter meinen Zweifeln und den Einwänden meines Ich-Bewußtseins, das wußte, daß das richtig war und daß es das einzig richtige war und ich sprach es auch diesmal irgendwann für einen Augenblick halbwegs ernsthaft und war irgendwie bereit, vielleicht auch die Konsequenzen zu tragen. Aber auch das genügte schon, wieder war es schon der Anflug von Aufrichtigkeit, der mich deutlich spüren ließ, wie das Gesetz des Paktes unentrinnbar meine Seele ergriff. Ich setzte in diesem Augenblick voller Angst und zögerlich einen Fuß auf den Weg der nur in bedingungsloser wahrer Liebe beschritten werden kann. Mein selbstgefälliges Ich-Bewußtsein, mein Ego starb fast daran, denn der Verstand und das Ego sind nicht fähig, diesen Weg zu beschreiten, er ist ihnen unerträglich. Ich hatte das nicht leichten Herzens vollbracht und nicht jeder Teil meines Bewußtseins, das war mir klar, trug dieses letzte Gelübde mit, aber es war alles was ich aufbieten konnte, mehr ging nicht. Und es war angesichts der unglaublichen Macht, mit der ich gerade in Berührung gekommen war, wiederum nur erbärmlich. Aber mehr hatte ich nicht, ich war in dieser Geschichte endgültig an meinen Grenzen angelangt.
Ich hatte etwas von mir selbst erkannt. Und ich hatte einen Weg gefunden.
Ich verließ den heiligen Ort, ich hatte erfüllt, was er von mir verlangte.

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