Und deshalb sind diese großen Träume für die Traumdeutung von so besonderem Interesse; nur werden sie in unserer Zeit eben noch immer nicht richtig ernst genommen, so dass die meisten Menschen in Bezug auf ihre Träume ebenso unbedarft sind, wie ich es damals war und aufgrund dessen es geschehen konnte, dass mich dieser denkwürdige Traum so eiskalt erwischte und mir recht bald meine selbstgefällige Ignoranz gehörig um die Ohren fliegen ließ.

Ja, ich weiß, ich stelle hier so einige Behauptungen über die Bedeutung von Träumen auf wie auch darüber, über welche Möglichkeiten die Psyche als eine eigene Instanz verfügen soll, mit denen sich der eine oder andere nicht einverstanden erklären mag. Sollten Sie einer von diesen sein, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie möglicherweise noch ähnlich unwissend sind, wie ich es damals war. Und von diesen Zusammenhänge nichts zu wissen, kann durchaus auf einen bedenklichen Mangel an Bewusstsein seiner selbst hindeuten, so dass ich in diesem Falle nur dringend dazu anraten kann, dieses Buch bis zu Ende zu lesen …

Auf jeden Fall kann ich mich noch heute bis ins letzte Detail an diesen faszinierenden Traum erinnern, der sicherlich ein solcher ‚großer’ war.

Der versetzte mich in eine höchst merkwürdige Szenerie. Ich fand mich in einem typischen Dorf der Oberrheinischen Tiefebene wieder. Gut, das war jetzt noch nichts Ungewöhnliches, denn ich fuhr auf meinen sommerlichen Fahrradausflügen öfters durch die Dörfer hier, so dass ich mit einer solchen Kulisse an sich vertraut war. Ungewöhnlicher war dagegen schon, dass hier eine ganz merkwürdige Art von Dunkelheit herrschte, alles war in ein unwirkliches, grünliches, mattes Licht gehüllt. Es wirkte ein bisschen wie die Darstellung von Wärmebildkameras, die ebensolche grün leuchtenden Bilder aus dem Dunkel der Nacht zu liefern vermochten. Seltsam auch, dass ich auf dem Bauch am Straßenrand zu liegen gekommen war und die Bordsteine direkt vor Augen hatte. Doch das wirklich Verblüffende war, dass ich mich vollständig mit dem Körper einer Frau durchdrungen fand. Wir lagen hier einfach ineinander auf der Straße.

Das alles wirkte erstaunlich realistisch und war zudem in gestochener Schärfe abgebildet. Vor allem die bildliche Darstellung dieses so erstaunliche Phänomens der Durchdringung unserer beider Körper war meinem Traum geradezu meisterlich gelungen. Diese wirkte so realistisch, ja geradezu natürlich, dass sie den Effekten mit denen die Tricktechnik moderner Filmstudios so etwas heutzutage darzustellen vermochte, kaum nachstand. Ich fand mich in dieser Frau liegend, als ob das völlig selbstverständlich wäre.

Die Kulisse meines Traumes war bis ins letzte Detail eine Hommage an das badische Musterländle, in dem ich lebte. Ich sah die Fassaden mit ihren typischen Fachwerkverstebungen, die einst so liebevoll gestaltet und heute noch mit solcher Hingabe gepflegt wurden, bewunderte die adretten, gepflegten kleinen Vorgärten mit den ordentlichen Zäunchen in allen nur denkbaren Bauarten und staunte nicht zuletzt über die präzise aus Beton gegossenen und akkurat verlegten Bordsteine, an deren Rand sich so einiges an Unrat gesammelt hatte, welcher das Bild der mustergültigen Ordnung und Sauberkeit, die sich für ein badisches Dorfes schickte, allerdings etwas trübte. Es musste kurz vor Ende der hier üblichen, heiligen Kehrwoche sein. Am Sonntag würde man an diesen Randsteinen kein Stäubchen mehr vorfinden.
Auch die Gestalt dieser Frau war von meinem Traum liebevoll bis ins letzte Detail ausgearbeitet worden – zumindest das, was ich von ihr sehen konnte und das war nicht sehr viel, da ich mich ja in ihr befand. Wobei ich feststellen musste, dass ich nicht exakt in die Gestalt dieser Frau eingepasst war, sondern mich gewissermaßen in ihr um einige Zentimeter nach hinten versetzt sah. Was ich von der Frau also tatsächlich zu sehen vermochte, waren ihre Arme, auf die ich hinabblicken konnte und ihre Gesichtszüge, die ich wie aus ihrem Inneren heraus betrachten konnte, gerade so, als ob ich ihr Gesicht wie eine Maske vor meinem eigenen trüge. Wie die ganze Szenerie in dieses grüne Licht getaucht war, so schimmerten auch ihre Arme und ihre Gesichtszüge als wären sie aus kostbarster Jade gearbeitet. Da ich mich dicht hinter den Konturen ihres Antlitzes befand, konnte ich nur einen recht kleinen Ausschnitt davon einsehen, der knapp bis zur Stirn hinauf und hinab bis zu den Wangenknochen reichte. So vermochte ich zwar kaum mehr als ihre Augenpartie zu übersehen, doch da die Wirkung eines Gesichts ja gerade durch diese maßgeblich bestimmt wird, ließ sich auch aus diesem kleinen Ausschnitt heraus sehr wohl erahnen, dass es sich dabei um angenehme, ja ansprechende Züge handelte, die mir zu einer attraktiven Frau mittleren Alters zu gehören schienen. Irgendetwas an ihren Augen kam mir zwar merkwürdig vor, doch es blieb mir in jenem Augenblick keine Zeit, dies näher zu ergründen, denn aus diesem wunderlichen Anfangsbild heraus begann sich die Handlung des Traumes zu entwickeln.
Ich konnte nun sozusagen aus ihr heraus dabei zusehen, wie sie sich mit einem kleinen Spaten mühte, den Unrat zu beseitigen, der sich hier an den Bordsteinen angesammelt hatte und sich schier endlos am Straßenrand entlangzuziehen schien. Doch ihre Bemühungen waren weitgehend erfolglos, denn der ganze Dreck war offenbar zu einer Art zähen Strangs verbacken.
Sie hieb zwar kräftig auf dieses seltsame Gebilde ein, doch es gelang ihr nur hin und wieder, einige Brösel aus der starren Masse herauszuhauen. An diesem seltsamen Ort war die Kehrwoche offenbar schon seit längerer Zeit ausgefallen. Aus der Art und Weise, wie die Frau den Spaten selbst in dieser ungünstigen Position im Liegen handhabte, war deutlich zu ersehen, dass sie diesen nicht nur kraftvoll einzusetzen, sondern auch sehr geschickt zu handhaben wusste.
Der Spaten an sich war klein und handlich, die Schaufel war im rechten Winkel zum Stiel angebracht. Diese Bauweise erinnerte mich auffallend an den Klappspaten, der während meiner Zeit beim Militär zu meiner Ausrüstung gehört hatte. Diese Klappspaten waren an sich ja eine praktische Sache. Doch dieses Gebilde war offensichtlich so fest verbacken, dass sie selbst mit diesem eigentlich recht effektiven Werkzeug und obwohl sie so gekonnt zu Werke ging, kaum etwas auszurichten vermochte. Als wirklich fatal erwies sich jedoch, dass der Spaten immer wieder seine Gestalt wechselte. Er verwandelte sich von Zeit zu Zeit in eine gedrungene Lanze, um kurz darauf wieder seine ursprüngliche Form anzunehmen.
Die präzise Darstellung meines Traumes ließ jedenfalls erkennen, dass diese Lanze ausgesprochen aufwändig und kunstvoll gearbeitet war. Zudem war sie mit einigem verspielten Zierrat aus Vogelfedern und Anhängern versehen. Eine solch kunstfertige Ausgestaltung war für ein Kriegsgerät, um das es sich bei einer Lanze ja letztlich handelte, recht ungewöhnlich. In der Regel wurden sie in größeren Stückzahlen hergestellt und mussten vor allem effizient für den Zweck sein, dem sie dienten – und der war nun mal das Töten. Wohl waren sie einst erfunden worden, um Tiere zu erlegen, doch weil sie sich dabei als so überaus effektiv erwiesen hatten, wurden sie schon sehr bald auch gegen Menschen eingesetzt, bis sie irgendwann nur noch zu diesem Zweck verwendet wurden. Als aus den kleineren Horden von Kriegern dann größere Armeen wurden und man Lanzen in Massen produzieren musste, verzichtete man irgendwann auf eine allzu zierreiche Ausgestaltung. Das schlichte Pilum der römischen Legionen war das beste Beispiel hierfür, es war ein nüchtern gestaltetes aber höchst effizientes Massenprodukt.

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